Dienstag, 24. Juni 2014

Die Arbeit und Ich

In den letzten Wochen und Monaten hat sich nun doch einiges spürbar verändert. Der nicht wirklich vorhandene Frühling verabschiedete sich schon im Mai und ließ einen heiß-schwülen Sommer einziehen, dessen Ausmaße mehr als erbarmungslos sind. Tropische Nächte als Normalität und eine Luftfeuchtigkeit, die so sehr drückt, dass man zergeht, sobald man auf die Idee kommt, auch nur rauszugehen. Washington wurde wie Rom auf einem Sumpf erbaut. Man sollte eigentlich denken, dass spätestens nach der ersten Sumpfstadt die Idee verbannt worden wäre. Aber vielleicht gefällt den Amerikanern die Idee eines Imperiums, Spekulationsraum für diese These/Theorie sollte ausreichend vorhanden sein.

Nun, wo wir uns am Höhepunkt des klimatischen Jahres befinden, neigt sich meine Verweildauer und Dienst eher dem Winter zu, vielleicht sind wir noch im verregneten Herbst. Und doch nimmt von Tag zu Tag die Schlagzahl zu. Und da in letzter Zeit doch die Anmerkungen bestimmter Personen zunehmen, dass man auch annehmen könnte, ich würde lediglich Urlaub, Unsinn und "Nichts" machen, nun mal wieder ein zwei Sachen aus meinem Arbeitsleben mit besonderem Fokus auf letzte Woche... die ich mehr als genossen habe!

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) hatte zu einer Tour der etwas anderen Art geladen und wollte somit potentielle Unterstützer gewinnen. Für mich (Tourguide) bedeutete das erst einmal Fakten checken, das akzeptable Deutsch wieder herauskramen und vor allem es irgendwie auf Erden schaffen, mit einer Meute erwachsener Menschen innerhalb 45 Minuten durch eine vollgestopfte Ausstellung (3 Ebenen) zu hechten und dabei möglichst eloquent sowie intelligent zu wirken. Nichts leichteres als das, es gab bereits schlimmere Situationen. Das ist wohl wahr, allerdings lag es diesmal eher an der Besetzung der Tour, dass es mir wirklich wichtig war, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Wie ich in einer E-Mail zwei Tage vor Beginn erfahren durfte, waren es nämlich sehr interessante Menschen, die mit mir unterwegs sein sollten. Vertreten waren am Ende die Allianz mit dem stellvertretenden Leiter der Nordamerika-Stiftung, das German Information Center, die Deutsche Gemeinde in Washington DC, das Goethe-Institut, die Telekom, der IWF, die Deutsche Botschaft mit dem Gesandten Philipp Ackermann und zwei Referenten, sowie Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit aD. Auf Deutsch: Ich war seit langem mal wieder richtig aufgeregt. Das legte sich zum Glück sobald ich anfangen konnte mit dem Quasseln. Allgemein gebe ich Führungen nur in Englisch, somit genieße ich jedes Mal, wenn ich in meiner Muttersprache sprechen kann. Es ermöglicht mir, expliziter zu formulieren und Schattierungen zu ziehen, die mir mit meinen Englischkenntnissen nicht so gelingen, wie ich es mir wünsche.






Es war für mich äußerst interessant, zu beobachten, wie sich eine Gruppe Deutscher durch dieses Museum bewegt, was sie bewegt und wie weit die Ausstellung von ihnen angenommen wird. Deutsche, die allesamt meine Eltern sein könnten und somit einer Generation angehören, die näher am Geschehen des Zweiten Weltkriegs aufgewachsen sind und dessen Auswirkungen wesentlich bewusster wahrgenommen haben, als dass es uns jemals möglich sein wird. Wenn ich über solche Gedanken und Unterschiede nachdenke, wird mir bewusst, wie sehr sich meine Arbeit nun auch in meine eigenen Denkstrukturen eingenistet hat und wie dankbar ich für die Möglichkeit bin, Deutsche Geschichte aus einer ganz anderen und neuen Perspektive zu betrachten. Wie gut kann ich mich an die Momente in der Schule erinnern, als ein entnervtes Raunen und Seufzen durch die Bänke ging, weil man nun wieder den Nationalssozialismus an der Backe hatte. Doch seitdem mir bewusst geworden ist, dass es solch ein exzellentes Holocaust Museum in den USA (bekanntlich das Land der schlechten Bildungschancen) gibt, dieses auch noch mit zwei Millionen pro Jahr das besucherstärkste Museum der National Mall ist, dann ist es mehr als traurig, wenn selbst deutsche Schüler zum Großteil sich diesem Wissen verweigern und sich nicht einmal im Klaren darüber sind, um was es sich bei Einsatzgruppen handelt.

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Solche Themen beschäftigen mich immer mehr, anscheinend ist der Geschichtsleistungskurs nicht ganz spurenlos an mir vorüber gezogen. Gespannt bin ich nun auch auf eine Begegnung im Juli. Svenja und ich werden Prof. Dr. Thomas Buergenthal, ehemaliger Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, treffen. Herr Buergenthal ist 1934 in der damaligen Tschechoslowakei zur Welt gekommen und zählt zu den jüngsten Überlebenden der Konzentrationslager Sachsenhausen und Auschwitz, des Ghetto Kielce (Polen) und  überlebte einen der berüchtigten Todesmärsche im Winter 1944/45. Weiteres gibt es hier: Thomas Buergenthal.

Vielleicht war das nun ein bisschen anderer Tobak als sonst, aber es lag mir sehr am Herzen. Geschichte und Geschichten erzählen sich leider nicht von selbst und diese meine Erfahrung wollte ihren Weg zu euch finden.


Tausend Grüße aus Lummerland,
Eure Antonia 


PS: Hier gibt's noch einen kurzen Bericht über meine Tour aus der Sicht von Aline, die zur Zeit Praktikantin im ASF-Büro in Philadelphia ist.


 

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