Donnerstag, 21. November 2013

Work! That's it.

Sind eigene Vorsätze denn wirklich nur dazu da, um gebrochen zu werden?
Jedenfalls geht es mir gerade so. Ich sehe hier und da immer wieder einen neuen Eintrag auf meinen Lieblingsblogs aufblitzen und fühle mich, als wurde mein zweites Ich das andere entweder schamlos auslachen oder eben das schlechte Gewissen initiieren. Beides vermittelt jedenfalls kein tolles Gefühl. Und ich glaube, dass das viele von euch nachempfinden können.

Es gibt da zwei Arten von Blogs, die dieses Gefühlsdilemma immer wieder auslösen.
Zuerst muss ich da Marius erwähnen: Marius lebt zur Zeit in Perm (fur alle Unwissenden wie mich, Google hilft), mitten in der russischen Pampa. Wobei Perm eigentlich ziemlich groß ist und sich der Wikipediaartikel als äußerst interessant herausstellt. Aber das ist alles erstmal nur nebensächlich. Ich schaue regelmäßig  vorbei und freue mich wie ein Schneekönig, wenn etwas neues meine Aufmerksamkeit weckt. Wer Lust hat, Russland in einer Mittagspause einen kleinen, aber äußerst feinen Besuch abzustatten, muss unbedingt hier vorbeischauen: http://postausperm.wordpress.com/. Was allerdings das Verhängnisvolle darstellt, ist Marius Schreibmotivation. Man kann sich fast drauf verlassen, dass, wenn nicht gerade der Blog von einer russischen Regierungsbehörde gesperrt wird (was wirklich schon passier ist), jede Woche eine neue Anekdote zum Besten gegeben wird. Was mich dann wieder in einen gewissen Handlungszwang katapultiert. Und genau da stecke ich gerade!
Die zweite Art von Blog, die dieses Gefühl auslöst, wird von Caspar geschrieben. Er fristet gerade sein Dasein in Antwerpen und gestaltet eine etwas andere Art von Blog: ein Blog, der eigentlich gar keiner ist. Das genauer zu erklären, vermag ich leider nicht. Weil da dann doch alle Ideen beim Verfasser sind und ich lediglich interpretieren könnte. Aber was ich so toll an Caspars Texten finde, ist, dass er, wenn er schreibt, sich Zeit dafür nimmt und man meistens den ganzen Tag seinen Gedanken nachgeht. Also ein Blog mit Langzeitwirkung, der absolut empfehlenswert ist: http://dbhunmmfdztuiekb.blogspot.com/2013/11/futur-2.html?spref=fb. Bei diesem Blog habe ich nicht das Gefühl, dass ich im zeitlichen Zugzwang stehe, sondern eher im Wortbezogenen. Caspar bringt da so einige Sachen und Themen, die wahrscheinlich vielen ASF- Freiwilligen in diesen Tagen und Wochen so durch den Kopf gehen, gekonnt auf den Punkt.
Und was hat das Ganze mit mir zu tun? Schlicht und ergreifend: das Gefühl, dass mein Blog nichts von beidem so richtig erfüllt, dass hier noch viel Potential schlummert, dass ich nicht “zu Potte komme”. Und wenn ich mir diesen Satz durchlese, erinnern mich meine eigenen Worte an so einige Zeilen auf Zeugnissen, Einschätzungen und so anderen vernichtenden Papieren. Warum kann man sowas auch nie hinter sich lassen?
Und um das alles erstmal sacken zu lassen, erzähl ich jetzt mal ein bisschen was von dem, was ich hier eigentlich treibe. Das habe ich nämlich die letzten Monate gekonnt umgangen! Also hier mein ultimativer Arbeitstag. Von mir, für euch, nichts als die Wahrheit:

7.30 Uhr oder 7.40 Uhr – Mein Wecker klingelt. Jeden Morgen die gleiche langweile Standardmelodie, weil ich einfach noch keine Lust bzw Muse hatte, das irgendwie zu ändern. Und täglich grüßt das EDV- Murmeltier!

7.32 Uhr oder 7.42 Uhr – Ich renne zum Bad und hoffe inständig, dass Svenja noch nicht duscht. Das würde nämlich warten bedeuten oder eben morgendliches Treppensteigen vor dem Umziehen. Und wenn ich etwas wirklich verabscheue, dann das!

8.00 Uhr – Die Welt ist gerettet, ich mache Frühstück! Wasser wird waschecht in einem alten Wasserkocher auf dem Herd gekocht, solange schwelgt mein Bagel (Anflug von einem brotähnlichen Etwas) im Toaster. Das Pfeifen des Wasserkessels reißt mich brutalst zurück in die Realität. Bagel schmieren, mit selbstgemachter deutscher Marmelade (Danke Mama!). Der Tag beginnt.

8.30 Uhr – Bad Numero II. Ich hoffe das zweite Mal am Morgen, dass niemand duscht. Bryan besucht nämlich um die Zeit gerne das Bad, weshalb ich jetzt ein Zweitzahnbürste in meinem Zimmer habe, damit wenigstens das klappt.

8.37 Uhr – Haustür zu, raus auf die Straße und ab zur Metro. Gute 5 Minuten später bin ich da und dann geht das eigentliche Grauen erst los. Es kann draußen kalt sein wie in Sibirien, aber in der Metro ist es immer, wirklich immer viel zu warm! Ich spring in die erste Metro, die passt und los geht’s. Die ersten beiden Stationen sind angenehm gefüllt, ab der dritten ist ein wahres Quetschen. Zum Glück verlasse ich die Metro bei der vierten Station – Smithsonian. Ich laufe die 5 Minuten zum Büro.

9.02 Uhr – Eigentlich ist offizieller Beginn um 9.00 Uhr, aber mir wurde schon am ersten Tag gesagt, dass alle ein bisschen verspätet eintrudeln. Dieses verspätete Eintrudeln zieht sich manchmal bis jetzt, also 11.08 Uhr hin. Da sind meine 2 oder 3 Minuten Verspätung doch richtig toll!

9.00 Uhr bis 12.00 Uhr – Der erste Block geht los. Ich schalte den Computer ein, checke meine Mails, aktualisiere den Kalender und fange an. In unserer Gruppe der Researcher werde ich gerade darauf spezialisiert, Leute zu finden, die in den großen Datenbanken nicht erfasst sind. Also ja, die wohl leider hoffnungslosen Fälle landen auf meinem Schreibtisch (Ob da jemand mal wieder Schicksal und Bestimmung  gespielt hat? Ich gehe fest davon aus!). Am Anfang wusste ich nicht mal ansatzweise, was ich da eigentlich machen muss. Mittlerweile bin ich immer besser geworden. Ich durchforste die USHMM- Datenbank, google mich durch jüdische Holocaust- Datenbanken, suche online beim Yad Vashem oder stolpere durch die Bibliothek und versuche, nicht aufzufallen. Mit dem Google- Übersetzer verbinde ich eine tiefgehende Freundeschaft, da meine Italienisch- und Ungarischkenntnisse dann doch nicht so optimal sind. Vom Yiddisch müssen wir garnicht erst sprechen. Man könnte es auch so beschreiben: Ich suche nach diesem einen Puzzleteil, dass vor Jahren von der Katze unter das Sofa verschleppt wurde, was dann von der Putzfrau per Staubsauger auf die städtische Mullhalde verbannt wurde und dort schließlich zwischen abertausenden Kleinigkeiten darauf wartet, ausgebuddelt zu werden. Wenn man sich das durch den Kopf gehen lässt, macht es Sinn, wenn ich sage, dass ich leider nicht oft etwas Brauchbares finde. Leider. Und trotzdem macht es Freude, wenn man dann doch jemand weiterhelfen kann oder wenigstens Sicherheit geben darf, dass manches wirklich passiert ist, wie erzählt wurde. Und das ist Motivation für die Tage, an denen nachts die Tür aus den Angeln fällt und man anderthalb Stunden länger wach ist, um das zu richten, am nächsten Morgen zerknautscht ist und man ausschaut wie der Yeti.

12.00 Uhr bis 1.00 Uhr – Mittagszeit! Das bedeutet eine Stunde Essen, Quatschen und Wochenende planen mit Fritz, Amy, Brianna und Megan (auch alles Volontäre). Wenn da nicht gerade die Yogatruppe den grossen Konferenzraum blockiert und sich in irgendwelche Brezeln verdreht. Erst gestern hatten wir oder eher die anderen eine sehr anregende Yogaunterhaltung. Wenn man sich auf sein Kinn abstützt und die Arme unter den Korper legt, kann man seine Zehenspitzen lösen und Gleichgewicht finden, Stärke aufbauen oder eben Gandhi sein. Mir ist schon fast bei der Vorstellung schwindelig geworden und ich habe wieder einmal festgestellt, dass ich wohl nie beweglich wie eine Alge sein werde, sondern lediglich dem Standard eines Kürbis erfüllen kann. Der steht sicher und fest auf dem Boden und wenn er umkippt, kippt er um. Wie um Himmels Willen werde ich zur Alge? Aber ich glaube, dass könnte ein noch größeres Langzeitprojekt als meine Studienwahl werden. Also erstmal nein.

1.00 Uhr bis 5.00 Uhr – Suchen, suchen, suchen! Ich grase alles ab und versuche irgendwie, schlauer zu werden. Eine große Hilfe dabei ist Bill, weil er bei der Digitalizierung der Datenbanken eigentlich alles koordiniert hat und somit ein wandelndes Lexikon ist. Ohne Witz! Um 3.00 Uhr hol ich mir meistens einen Tee, Kaffee ist immer noch nicht mein Ding. Was mich zu einer weiteren Ausführung des amerikanischen Verständnisses von Wohlstand bringt: Das Waschbecken in der Küche. Es gibt nicht einen Wasserhahn, sondern drei. Bis ich da alle Funktionen verstanden hatte, dauerte es einige Wochen. In der Mitte ist der normale Wasserhahn zum Abspülen. An der linken Seiten befindet sich der Hahn für Trinkwasser, was gefiltert wird. Und rechts ist das wohl gefährlichste, was ich je gesehen habe (natürlich neben der Mikrowelle): der Hahn für kochenendes Wasser. Ich hab mich fast verbruht! Jedenfalls ist das Ding für die Teetrinker.

5.00 Uhr – Arbeitsende und ich mach mich auf den Weg nach Hause. Die Metro ist nicht ganz so voll, aber immer noch mollig warm. Zu Hause angekommen tausch ich meine Arbeitsklamotten gegen Pulli und Schlafanzugshose oder Jogginghose, ein Hoch auf die Bequemlichkeit, und lese, glotze oder wasche. Das Waschen passiert aber auch nur an unglaublich motivierten Tagen, also fast nie.

7.00 Uhr – Irgendjemand hat für alle gekocht, Essenszeit!

Nach 7.00 Uhr – Lesen, irgendwas für den morgigen Tag raussuchen, entscheiden, was man da anzieht, damit alles schneller geht und einfach die Seele baumeln lassen. Ein Kakao bewirkt da Wunder. Und Wunder braucht man immer.

So schaut’s zur Zeit bei mir aus. Fur wahrscheinlich viele der Erwachsenen, die das hier lesen, nichts besonderes. Allerdings musste ich mich nach meiner persönlichen Sommerpause da dann doch erst wieder dran gewöhnen. Mittlerweile bin ich angekommen und ich genieße es, das sagen zu können.


Herzliche Grüße aus Washington,

Eure Antonia

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen