Donnerstag, 7. November 2013

Antonia Wittler und die erste Liebeserklärung

Ich muss heute bei unglaublichen Umwegen anfangen, damit die Überschrift und der ganze Rest überhaupt Sinn ergeben. Die größte Herausforderung in meinem Deutschabitur bestand darin, eine passende Überschrift zu finden. Irgendwie hängt doch alles davon ab, ob der Leser Lust hat, eine Aufforderung zum Lesen. Es ist einfach der Anfang. Und eigentlich hätte ich diesen Eintrag schon vor 5 Tagen schreiben können. Aber mal wieder konnte ich mich nicht entscheiden, wo ich am besten anfangen und enden sollte. Es muss ja auch alles passen. Und heute, mitten im tiefsten Nachdenken über alles Andere als meinen Blog, wusste ich, wie das hier heute alles anfangen muss. Nicht mit meinem Deutschabitur, nicht mit irgendwelchen banalen Sätzen, sondern hiermit: 2007 haben meine Eltern ihre Pläne verwirklicht und den kompletten Dachboden und oberste Etage ausgebaut. Für mich bedeutete das gestresste Eltern, gefühlte 30 Handwerker, die ohne Witz um 6.30 Uhr (also mitten in der Nacht) und teilweise früher angefangen haben zu arbeiten, und vor allem ein eigenes Zimmer, das mehr als ein Fenster nach Norden hat. Also endlich keine Dunkelkammer mehr! Mein Zimmer wurde größer und auch so in einiger Betrachtung anders. Mein großes Problem mit der ganzen Sache war nur, dass ich in diesem Zimmer nichts, wirklich garnichts selber gemacht habe. Als die ganze Bande meinen Fußboden verlegt hat, war ich damit beschäftigt, immer wieder in den Keller zu rennen, irgendwas falsches zu holen, um es dann wieder nach unten zu bringen und zu hoffen, dass ich diesmal das Richtige mitbringe. Am Ende war mein Zimmer toll, allerdings hatte ich das Heimwerkerego einer Nacktschnecke. Die hat auch kein eigenes Haus. Und seitdem bin bzw. war ich eindeutig davon überzeugt, dass ich einfach nicht nur EDV-negativ, sondern auch bastelbauselbstmach-technisch absolut nichts auf dem Kasten habe. 
Als ich dann letztes Wochenende nach 2 Monaten in geteilten Wohnsituationen endlich die Möglichkeit bekam, in ein eigenes Zimmer zu ziehen, war die Freude echt groß! Es sind zwei große (schön trifft zu diesem Zeitpunkt nur für Svenjas zu) Zimmer freigeworden. Trotzdem hatte ich mich doch dazu entschieden, das andere nicht so schöne zu nehmen. Das nicht schön liegt schlicht und ergreifend an einer Wand, deren Farbe ich als echt bescheiden beschreiben würde. Bilder sind da bestätigender als meine Worte:













Wie um Himmels Willen kann man eine Wand blau streichen (und das Blau sieht hier noch schön aus), wenn der Kamin grün gefliest ist? Ich hab bis jetzt darauf noch keine vernünftige Erklärung gefunden und ich glaube auch, dass ich die Suche nie abschließen werde. Aber das ist mir echt schnuppe! Jedenfalls merkt man bereits jetzt, dass das Zimmer nicht so die ultimative Superdupervariante ist, die man haben könnte. Und das hab ich dann doch irgendwie als eine weitere Herausforderung angesehen. Nachdem ich ein Bild vom Kamin gemacht hab, wollte ich zu einem Baumarkt hier direkt in der Nachbarschaft. Als ich davor stand, stellte sich heraus, dass der komplett ausgebrannt war. Aber DAS sollte mich nicht aufhalten. Wenn ich schon einmal die Möglichkeit hatte, mir wenigstens selbst zu beweisen, dass in mir auch ein Funken kreatives Etwas steckt, bin ich wieder zurück gewatschelt und hab eine Frau angesprochen, ob sie mir irgendwie helfen könnte. Die hat mich kurzerhand eingeladen, mich zu einem Hardware- Store mit zunehmen (Baumarkt auf Englisch) und ich hab einfach mal 'ja' gesagt. Seit gefühlten 8 Monaten bin ich das erste Mal wieder in einem Auto gefahren und hab Washington so noch einmal ganz anders kennen gelernt. Irgendwann begriff ich dann, dass ich in der gegenüberliegenden Himmelsrichtung gelandet bin (von Südosten nach Nordwesten), aber was muss, das muss! Der Baumarkt war in einem komplett normalen Haus und ich hab die ersten 2 Minuten gedacht, dass die Frau sich einen riesigen Scherz erlaubt hat. Aber als ich dann reinging, gab es dort doch wirklich alles, was das Handwerkerherz erfüllt. Nach einer halben Stunde, einer lieben Beratung und großer Lust auf Streichen machte ich mich auf den Heimweg. Und dann ging das ganze Prozedere erst Los. Abkleben, Leiter suchen, Zeitung auslegen, die Leiter von einem wackelnden Kuhschwanz in etwas Verlässliches verwandeln, Bemerken, wie hoch doch eigentlich das Zimmer ist und LOS!










Es hat sich eindeutig gelohnt! Und außerdem (auch wenn man das nicht von sich selbst sagen soll, ich weiß) ich war und bin stolz auf mich! Ein paar Mitbewohner haben mich zwar skeptisch angesehen, warum ich erstens dieses schöne Blau (eindeutig farbenblind) überstreiche und zweitens warum ich mir diesen Aufwand aufbürde. Ganz einfach: Wenn das ein Jahr mein Zimmer ist, dann soll es auch schön sein. So viel Anspruch darf sein! Aber das ist noch lange nicht das Ende der Geschichte. Am Sonntagmorgen hab ich mich dann aufgerafft und meinen Roadtrip zu Ikea gestartet. Mit dem Auto werden bei dem Googleroutenplaner 22 Minuten angegeben. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln anderthalb Stunden. Ich bin also mit Mann und Maus (ergo: meinem wunderbaren Rucksack) zu Ikea. Die Wegbeschreibung verhieß eineinviertel Stunden Fahrt und gute 20 Minuten zu laufen. Das mit der Fahrt hat auch alles geklappt, allerdings stellte sich der Fußweg als Highway heraus und ich mich als eindeutig nicht lebensmüde. Zum Glück standen ein paar Taxis rum. 5 Minuten später und 7 Dollar weniger in der Tasche stand ich vor meinem Ziel aller Träume, ging herein und war wie auf Knopfdruck dank Kötbullar und Schweden pur für anderthalb Stunden in Europa. Unglaublich, was Möbelhäuser für Gefühle vermitteln können! Rückzus war es dann noch ein bisschen komplizierter, weil ich ja nicht nur außerhalb der Stadt, sondern auch außerhalb eines Bundesstaates war. Fluxdibutz mal nach Maryland. Und ihr glaubt es nicht, ich habe geschlagene 35 Minuten gebraucht, um ein vermaledeites Taxi zu finden. So viel zu unendlicher Mobilität und dem ganzen Schnickschnack! Das Tolle an der Fahrt mit der Metro war eindeutig, dass die unterirdischen Tunnel irgendwann einer oberirdischen Zugstrecke gewichen sind und ich so ein bisschen was von Natur und Landschaft gesehen habe. Unser Indian Summer beginnt hier anscheinend erst im November, verrückt!




Als ich zu Hause ankam, war es 4 und mir stand noch ein kleiner Umzug bevor. Eigentlich hab ich gedacht: 'Ach da läufts du zweimal hoch und runter und der ganze Kladeratsch ist in deinem Zimmer. Pustekuchen! Woher kommen die ganzen Sachen? Es hat gefühlte Ewigkeiten gedauert, bis ich alles so einsortiert hatte, wie ich es mir gewünscht habe. Und dann ging der schöne Part eigentlich erst los: Zimmer einrichten. Und es ist schöner geworden, als ich mir das alles sogar vorgestellt habe. Die ganzen Mühen, Fahrten, das Geld und auch das verstrichene Wochenende (diesmal wortwörtlich) haben sich gelohnt! Jetzt kann ich das hier wirklich aussprechen:

Falls jemand auf die Idee kommen sollte, mich zu besuchen, würde es mich riesig freuen, mein kleines feines Zimmer als Herberge anzubieten.

Bilder des Bed and Breakfast Antonia Wittler folgen hier:













Meine Moonwalkschuhe - endlich Hausschuhe. Bei unseren Küchenverhältnissen ist das mehr als überlebenswichtig!


















Den Großteil des Dekokrams hab ich mir auf dem Eastern Market zusammengeramtscht bzw. gebastelt. Es hat sich ziemlich gelohnt und jedes Mal läuft einem etwas Neues über den Weg, was schön wäre. Wenn da einfach nur das Portemonnaie mehr gefüllt wäre... :)





Und das ist mein Ausblick nach einem langen langen Tag. Auf die Couch, die durchgesessen ist wie ein alter Mehlsack, ein bisschen Zeit lesen, Heimatgefühle aufkommen lassen und sich wohlfühlen. Für mich ein toller Tagesausklang. Apropos Klang, jetzt komme ich dann doch noch zu der oben erwähnten Liebeserklärung. Und die geht eindeutig an die Zeit! Erst heute habe ich etwas gelesen, was mein Herz aufgehen lässt. In den letzten Tagen habe ich immer wieder einige Übersetzungen für Kollegen gemacht und des öfteren nach äquivalenten englischen Worten gesucht, sowohl für Nazi- Begriffe als auch für einfache und vor allem schöne deutsche Worte. Und immer immer wieder muss ich ausweichen, abändern und habe das Gefühl, dass da dann doch ein Stück der Grausamkeit und auch der Vielfältigkeit verloren geht, dass es einfach nicht das Gleiche ist, was es sein sollte. Und irgendwann bin ich dann über diesen Artikel und vor allem diese Worte gestolpert:


"Strauss hat in 'Groß und klein' ein Land [Deutschland] erfasst mittels der falschen Töne, die es produziert. Von diesem unglaublichen Reichtum an Nuancen der Verstellung und Vertuschung kann der Übersetzer Crimp nur das wenigste in die Zielsprache [Englisch] tragen. Er ist wie ein Fährmann, der das große Gepäck mitnimmt; aber die kleinen Habseligkeiten der Reisenden, den unersetzlichen Tinneff, bringt er nicht über den Fluss."



Und ist es nicht irgendwie dieser Tinneff, der eigentlich das Besondere ist? Der eigentlich Heimat schafft? Der Brücken meilenweit von geographischen Angaben schlägt?
Für mich ist er das und das ist vielleicht die erste große Lektion, die ich hier wirklich lerne. Dass Sprache Heimat ist. Dass ich meine Heimat in mir trage.

Deshalb liebste Grüße aus Lummerland,



eure Antonia

PS: Falls jemand von euch noch ein paar schöne Bilder hat, die gerne meine Wand zieren können, schickt mir die doch einfach per Mail zu! Ich hab schon ein paar, aber das ist noch viel Spielraum!










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