Montag, 14. Oktober 2013

Ihr Lieben da draußen,

nach gefühlten zehntausend Jahren schaffe ich es endlich mal wieder, etwas von mir hören zu lassen. Die letzten Tage und Wochen waren ziemlich vollgestopft, schön und aber auch sehr fordernd. Am besten fange ich bei der wohl interessantesten bzw. blödesten Sache an, dem Shut Down. Ich muss zugeben, dass es mich dann doch überrascht hat, dass es zu keiner Lösung gekommen ist. Als ich am Dienstagmorgen, bekannter 1. Oktober, ins Büro bin, waren dort dann doch unerwartet viele Leute da. Das liegt daran, dass sämtliche Bundesbehörden, staatlich Beschäftigte und Co. noch exakt 4 Stunden Zeit hatten, um ihre Rechner richtig runterzufahren und alles, was Kosten produzieren könnte, auszustellen. Dementsprechend gab es bei uns im Büro recht viele Leute, die zusammen standen und geredet haben. Des öfteren sind mir an diesem Tag ernsthaft wütende Personen entgegengekommen, die (meiner Ansicht) kurz davor waren, den Kopierer kleinzuhacken. Das erinnerte mich dann doch an ein gewisses Agressionspotential meinerseits bezüglich Schneeschippen, auf Hochdeutsch: ich konnte diesen Gesichtsausdruck sehr gut nachempfinden. Es sind auch alle Kopierer ganz geblieben. Den Rest der Woche hatte ich eine entspannte Zeit in meinem Portal (mein Schreibtisch zwischen allen klischeehaften Trennwänden). Es ist eine farbliche Meisterleistung und meine Arbeitsmotivation steigt jeden Morgen, wenn ich diese grandiose Kombination von Olivgrün und Brauntönen antreffe...





Wer immer diese Raumausstattung geplant hat, war sicherlich Verfechter von Feng Shui. Anders kann ich mir das alles beim besten Willen nicht erklären. Ich halt mich daran besser nicht länger auf... :)
Am Tag der Deutschen Einheit hab ich ein bisschen anders gefeiert, aber sehr schön!
Kurz vor sieben hab ich mich auf den Weg zum 9:30 Club gemacht. (Berechtigtes Nachdenken: Was macht das Mädel als unter 21jährige an einem Donnerstag in einem Club?) Dort erwartete mich BOY, eine deutsche Band. Den meisten von euch wahrscheinlich bekannt. Jedenfalls hab ich mich über diese Fügung des Schicksals sehr gefreut, weil Svenja das ultimative Privileg hatte, noch eine Karte für die Festivitäten in der Deutschen Botschaft zu bekommen. So kam ich dann doch irgendwie auch zu einem kleinen Feiertagsgefühl. Natürlich war ich viel zu früh da, es dauerte noch gefühlt 3 Stunden, bis es endlich losging. Damit bei allen klar war, dass ich noch nicht volljährig bin, habe ich wunderschöne Stempel bekommen. Auf beide Hände. Da hab ich mich dann doch irgendwie gefreut, dass am Freitag im Büro "Dressed Down" ist und man meine Stempel auch als ausgeartete Tattoos einer durchzechten Nacht verstehen könnte. Hier sind die Wunderwerke:





Natürlich gingen die zu Hause auch nicht weg, selbst Nagellackentferner war machtlos. Aber jetzt erstmal weiter im Text. Die Vorband bestand aus Greg Holden, schottischer Musiker, der (jetzt haltet euch fest) ein sehr bekanntes Lied geschrieben hat, es aber nicht selber zuerst gesungen hat. Ich glaube auch, dass Mumford and Sons dieses Lied gecovert haben. Eigentlich wurde es von einem American Idol Gewinner gesungen. Das bedeutet aber nicht gleich, dass es schlecht ist. Für alle, die ich jetzt ein bisschen madig gemacht hab, hier der Link:
Was ich so schön daran fand, ist eigentlich nur der Satz "I'm gonna make this place your home". Das wünsche ich mir, sehr.
Nachdem er dann fertig war, hat's keine zwei Minuten gedauert und BOY war da. Ich hab mir meine Seele aus dem Leib gesungen, getanzt und mich wie Bolle gefreut, weil einfach überdurchschnittlich viele Deutsche da waren und irgendwie alle den gleichen Gesichtsausdruck hatten - freudiges Bewusstsein über Heimat in Musikform. Klingt verrückt, ist es vielleicht auch, aber so kann ich es hier am besten runterbrechen. Da ich ganz alleine auf dem Konzert war und mich dementsprechend ja wirklich keiner kannte, hab ich auch getanzt, wie ich wollte. SO genug der Sentimentalität, Bilder!








Das Konzert hat sich echt gelohnt und gleichzeitig am Freitagmorgen seinen Tribut gefordert. Ich war ein bisschen platt, weil die Nacht dann doch kürzer als erwartet war. Aber man ist ja schließlich nur einmal jung!
Als ich am Samstag einiges erledigt habe und in der Metro unterwegs war, hatte ich mal wieder die Stöpsel in den Ohren und hab einfach (wie wahrscheinlich jeder anderer glücklicher Mensch) ein bisschen rumgezuckt. Als ich dann ausgestiegen bin, hat mich ein Mann darauf angesprochen und meinte, dass es echt schön wäre, mir bei der Freude an der Musik zuzuschauen und dass ich meinen eigenen Rhythmus hätte. Das hat mich dann noch mehr beschwingt, weil die Tatsache, dass ich anscheinend langsam hier meinen eigenen Rhythmus finde, bedeutet, dass ich ankomme. Mit einem breiten Grinsen bin ich dann durch den Tag gestiefelt und hab mich einfach treiben lassen.
Die nächste Woche war wieder sehr arbeitsam und ich habe wohl endlich meine ersten Freunde kennengelernt. Amy und Fritz. Amy ist, wie der Name vermuten lässt, Amerikanerin und hat jetzt nach dem Bachelor in Deutsch und Internationalen Beziehungen ein Pausenjahr eingeschoben und ist ebenfalls Volontär. Fritz, Österreicher, hat anstatt des Wehrdienstes, den es in Österreich immer noch gibt, sich beim USHMM beworben. Und auch bei ihm hat es geklappt. Wir stecken in unseren Mittagspausen immer zusammen und Amy plant uns schon fest für ihre Halloweenparty ein, auf die ich mich doch trotz einiger Bedenken freue. Das liegt hauptsächlich daran, dass mir Amy erklärt hat, dass Halloween eher so eine Sache wie Fasching ist. Jedenfalls hab ich das so verstanden. Also beginnt die Suche nach dem Eichhörnchenkostüm!
Allgemein war hier letzte Woche unheimlich schlechtes Wetter und ich hab erst nach dem zweiten durchgängigen Regentag entschlossen, dass, wenn man keine arbeitstaugliche Regenjacke hat, man sich doch einen Regenschirm kaufen könnte. Danach sah ich nicht mehr ganz wie ein durchnässter Pudel aus, wenn ich auf Arbeit ankam. Grandios!
Jetzt komm ich aber endlich zu meinen Wochenenden! Ich wohne hier direkt im Capitol Hill bzw. auch Eastern Market genannt, der seinen Namen einen echt spektakulären Markt zu verdanken hat. Flohmarkt, Gemüse, Obst, Kunsthandwerk, Schrott, Gebäck, Fleisch frisch vom Metzger und alles weitere, was einem in dem Sinn kommt, kann man finden. Eigentlich gehe ich jeden Samstag auf Entdeckungstour und decke mich für die kommende Woche mit frischen Lebensmitteln ein. Wenn man ein bisschen sucht und vergleicht, ist es meistens sogar billiger. Ich alter Sparfuchs! Aber damit man auch meine Freude versteht, müssen hier ein paar Bilder folgen:














Mein absoluter Lieblingsstand, immer was zum Probieren und tolles Obst, sowie Gemüse:




Der Eastern Market findet nicht nur in Freiluft statt, sondern auch in einem tollen Gebäude. Von Blumen bis Seafood, alles!






















Total unerwartet mein zweiter Lieblingsstand... :)





Das führt dazu, dass ich gerade ein kleines Kochtalent bei mir entdecke, was wohl auf wochenendliche Kochstunden mit Papa zurückzuführen ist. Einen herzlichen Dank an dich!











Ein weiteres Highlight fand für mich am letzten Samstag statt. Das National Symphony Orchester spielte unter Christoph Eschenbach Wagners Parsifal Akt III. Ich bin durch einen sehr lieben Tipp darauf aufmerksam geworden und konnte mir noch eine erschwingliche Karte ergattern. Der Abend war ein Erlebnis für sich. Mir hat es sehr gut getan, mal wieder ein bisschen Deutsch zu hören und das Orchester sowie Sänger waren sehr gut! Dabei ist mir wieder einmal aufgefallen, wie facettenreich die deutsche Sprache ist und wie schön es ist, sowas seinen Heimatschatz zu nennen! Was wiederum den Abend ein bisschen merkwürdig erscheinen lassen hat, war eindeutig der Dresscode. Man hat von Jeans bis Abendkleid alles gesehen. Aber das ist wahrscheinlich Amerika in seiner Diversität. Überall zugegen.
Der heutige Montag ist für mich ein wahres Geschenk, da ich wegen dem Columbus-Day frei hatte. Wer denkt, dass ich schlau, wie ich manchmal bin, mir einen super tollen Tagestrip gegönnt hab, liegt konsequent falsch. Ich hab stattdessen einen hausfräulichen Waschtag eingelegt. Unser Zimmer ist jetzt wieder sauber, aufgeräumt, meine Wäsche gewaschen und mein Bett neu bezogen. Was ich nicht erwartet hätte: Ich hab es trotzdem genossen! Und das lässt mich immer mehr vermuten, dass ich hier doch irgendwie richtig bin.

Wie immer liebste Grüße aus Washington und eine erlebnisreiche Woche an alle,
Eure Antonia






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