Donnerstag, 19. September 2013

At The International Airport... und andere Kuriositäten

Die erste amerikanische Woche liegt hinter mir und ich habe das Gefühl, schon seit Monaten weg zu sein. Aber es passiert auch so viel, kaum dass man weg ist: die nachbarliche, anderthalb Meter hohe Hecke brennt, Peer Steinbrück entdeckt die Pressefreiheit und leider erreichte mich gestern Morgen die Nachricht des Todes Reich-Ranickis. Aber zurück zu mir, auch ich habe einiges zu berichten. Und wo fängt man besser an als bei der eigentlichen Ausreise?

Am 10. September rasselte mein Wecker um 4.10 Uhr deutscher Zeit. Unendlich motiviert nach knapp 2 Stunden Schlaf kramte ich die letzten Sachen zusammen und packte in meinen Rucksack die allerletzten Sachen. Ein kurzes Zitat dazu aus meinem Tagebuch: "Start um 4.10 Uhr, innerliches Sterben". Pünktlich um kurz vor 5 Uhr bin ich dann zum vereinbarten Treffpunkt der Amis geschlappt, an dem sich alle eintrafen. Manche hatten ordentlich geschlafen, die anderen garnicht und wieder andere schwebten in Trance an. Als ich meine Tickets dann in den Händen hielt, wurde mir bewusst, dass Monate des Wartens endlich ein Ende haben würden. Wir setzten uns in den Bus und fuhren Richtung Berlin Tegel, bereits nach wenigen Minuten schlief der Großteil - ich leider nicht.
Als wir am Flughafen ankamen, war es tierisch kalt, tierisch früh und eben alles, was man vielleicht nicht gleich an solch einem Reisetag erleben wollte. Nachdem wir unser Gepäck aufgegeben hatten, folgte endlich ein Frühstück, welches leider aus am Vortag geschmierten Brötchen bestand. Zu dem Zeitpunkt stellte sich heraus, dass nur 3 Leute unserer Gruppe durchgängige Tickets für beide Flüge bekommen hatten. Also in Frankfurt dann nochmal 19 Leute an den Ticketschalter der Lufthansa. Trotz allem überwog eindeutig die Reisefreude! Nach einem einstündigen Flug waren wir in Frankfurt. Das Ausstellen der Tickets dauerte etwas, doch es klappte alles. Zuerst. Beim Gang zu den internationalen Gates stellte sich heraus, dass 3 Tickets auf die gleiche Person ausgestellt wurden. Also nochmal alles auf Anfang. Als wir gegen 13 Uhr uns zum Boarden anstellten, war die Erleichterung doch sehr groß. Und pünktlich ging unser Flieger um 13.30 Uhr. Zum achtstündigen Flug lässt sich nicht viel sagen außer: Essen, Film, Musik. Die eigentliche Hürde stand uns noch bevor - die amerikanische Einwanderungsbehörde. Um kurz vor 16 Uhr amerikanischer Ortszeit in Newark, NYC kamen wir an. Zu diesem Zeitpunkt bin ich davon ausgegangen, dass ich sicherlich irgendwie Probleme bekommen würde, bei meinem Glück auch nicht verwunderlich. Nach dem Passsuchen und Anstellen stand ich bei einer älteren Dame und verhielt mich wie geheißen. Sie stellte mir ein Visum aus und ich war glücklich, kurz glücklich. Es stellte sich heraus, dass das nur ein 3-Monatsvisum war und prompt saß eine 22köpfige, deutsche Meute in einem Nebenraum, an dem amerikanische Behördentische auf die Höhe von anderthalb Metern aufgebockt waren und eine dunkle Holzverkleidung hatten. Man fühlte sich wie vor dem jüngsten Gericht. In Deutschland war es in etwa 23 oder 24 Uhr, wir hundemüde und alles irgendwie doch sehr kompliziert. Am Ende ging alles glatt und wir sind mit unserem Gepäck raus und liefen Mark, dem Länderrefenten des ASF in die Arme. Leider war das noch nicht das Ende unserer Reise. Mit der Flughafenbahn sind wir zu einem Bahnhof und haben unseren Anschlusszug um 2 Minuten verpasst. Um 18.30 Uhr fuhr der nächste. Also warteten wir. Nach guten 3 bis 4 Stunden waren wir endlich in der 30th Street Station Philadelphia, pure Erlösung! Und die Stadt leuchtete wunderschön. Der Traum von Amerika stellte sich als Wirklichkeit heraus, den man leider vor lauter Erschöpfung nicht richtig realisieren konnte. Gegen 23 Uhr sind wir in unserem wunderschönen (!!!) Hostel Chamounix Mansion angekommen, das mitten in einem Stadtpark Philadlphias liegt. Und gleich wurden erste amerikanische Klischees bedient: es gab Pizza auf Papptellern und Coke, Kalorien ahoi! Allerdings war mir das in meinem komatösen Zustand echt schnuppe. Um kurz meinen Gedankengang nachzustellen, über den ich selber lachen musste: Pizza... Essen... Bett... ESSEN!
Nach 26 Stunden Reise bin ich wohlbehütet angekommen, fertig mit der Welt und mir, aber vor allem glücklich! Das zu betonen ist mir sehr wichtig!

Am nächsten Tag hatte ich ein mordsmäßige Jetlag, bitter ist nett formuliert. Vormittags haben wir einen Vortrag über Religion in den USA gehört und nachmittags ging es zum ARSP-Büro in die Innenstadt Phillys. ARSP = ASF in Englisch, Action Reconciliation - Service for Peace. Wir haben ein Tauschspiel gespielt, bei dem man versucht, sich hochzuarbeiten. Wir waren in South Philly unterwegs, rund um den Italian Market. Der ganze Trip war sehr eindrucksvoll und durch diese lustige Spielidee sind wir mit vielen Leuten ins Gespräch gekommen, haben tolle Sachen gesehen und erlebt. Unter anderem sind wir durch die Magic Gardens, super empfehlenswert!



Am Ende des Tages war ich ziemlich platt, beeindruckt von Philadelphia und einfach müde.
Der Donnerstag gestaltete sich ziemlich gegensätzlich, wir waren die ganze Zeit im Hostel, was aber auch echt mal gut tat! Besonders ist an diesem Tag Lorenz zu erwähnen, der einfach mal gefühlte 8 Stunden für uns 24 Leute Burger gebraten hat. Hier noch einmal ein fettes Dankeschön dafür! Das zweite Highlight des Tages war das sturmartige Abregnen am Abend, was endlich die schwüle Hitze genommen hat. Pure Erlösung!
Am Freitag begann mit einem weiteren Ausflug in den Norden Phillys. Wieder begegnete mir ein Begriff, den ich so garnicht zuordnen konnte - King Of Prussia (Die Preußen sind echt überall!). Das sollte sich aber bald klären. Wir haben ein Nachbarschaftsprojekt besucht, dass sich sehr wahrscheinlich Arts Village nennt. Ganz so sicher bin ich mir da dann doch nicht, aber es war super interessant!



The Tree Of Life

Am Nachmittag gleich ein neues Abenteuer: Hostwochenende. Wir (Lilly und ich) wurden von zwei tendenziell in das Rentenalter einzuordnenden, netten Amerikanern abgeholt: Peter und Anna, beide Juristen (Nelli, da musste ich dann doch stark an deine Eltern denken. Das lag allerdings echt nicht am Aussehen. :D ). Das Empfangskomitee in ihrem Vorstadtshaus bestand aus Mister David Bowie (Hund), Disco (Katze) und Smarty (Hund). Der Abend war echt kurzweilig.
Am Samstag sind wir erstmal klassisch in eine Mall gefahren, aber nicht irgendeine. Es stellte sich als unglaublich groß und verwirrend raus und hieß wirklich (!!!) King Of Prussia. Welcher Seckel kommt den auf die Idee, eine Mall nach einem deutschen Adelsgeschlecht zu bennen?! Mein Humor ist ja bekanntlich auch nicht der Beste, aber das mit Verlaub ist echt eine der beknacktesten Sachen die ich bis jetzt hier gesehen bzw erlebt habe. Schon ein bisschen dumm. Man verzeihe mir diesen Exkurs bitte, aber was sein muss, muss sein. Jedenfalls hatte ich danach endlich Sportsachen und seitdem fühle ich mich in Anbetracht der ganzen Kalorien irgendwie handlungsfähig. Was ich an diesem Wochenende sehr beeindruckend und sehr amerikanisch fand, war unser Ausflug am Sonntag in das Gebiet der Amish People. Typisch amerikanisch eine Stunde mit dem Auto hin, eine halbe rumgegurkt und eine wieder zurück. Aber was wir gesehen haben, ist echt einmalig. Wir hatten furchtbares Glück mit dem Wetter und es waren total viele Kutschen und Amish unterwegs. Man fühlt sich in eine andere Zeit und Welt versetzt und gleichzeitig paradox. Sowas geht echt nur in diesem multikulturellen Land! Jedenfalls war das Wochenende dann auch vorbei und wir wieder Abend im Hostel, alle am erzählen und alle irgendwie wieder motiviert. Am Montag haben wir Abends eine kleine Präsentation zu uns für die Friends of the ARSP gegeben, aus der ich bald noch ein kleines Rätsel für euch gestalten möchte. Es gibt sogar einen Preis :)
Der Dienstag war noch einmal gerappelt vor. Morgens waren wir im Germantown Jewish Centre und haben einen Vortrag einer RabbinerIN gelauscht. Da sind mir zum ersten Mal ernsthafte Verständnisdifferenzen zwischen amerkanischen Vorstellungen und deutschen aufgefallen. Die Rabbinerin bezeichnete ihre Gemeinde als konservativ, aus meinen deutschen Augen würde ich sie maximal als liberal bezeichnen,doch darauf kam es nicht an. Anderes Land, andere Sitten. Jedenfalls war es ein super offener und interessanter Vortrag. Dann ging es wieder nach Philly, zum zweiten Vortrag. Um kurz die Situation zu verdeutlichen ein kurzer Auszug aus meinem Tagebuch: "Treffen war um 14.45 Uhr am Friendscenter, dort gab es einen Vortrag über Homeless People und leider Wifi..." Dann wieder zum Hostel und weil alle guten Dinge 3 sind, folgte noch ein Vortrag. Dr. Kenner sprach über Holocaust und Traumata, für mich der interessanteste Vortrag des Tages, aber leider auch der, dem man am schwierigsten folgen konnte, einfach weil es schon so spät war. Sehr schade!
Und plötzlich war es Mittwoch, der 19. September - Abreisetag zum Projekt. Wir, Svenja und ich, sind um halb 12 zur 30th Street Station nach Philly und um 13.00 Uhr ging es wirklich los. Typisch deutsch standen wir in der Schlange fast ganz vorne und haben gleich mal unser ganzes Gepäck umgeschmissen, so ein richtig schöner Strike.





Zielsicher haben wir dann auch mal die vordersten Sitze mit dem Panoramablick okkupiert. Was besonders Spaß bereitet hat, waren die Dehnfugen der Brücken. Die gingen nicht nur in die Länge, sondern auch in die Tiefe, sodass man richtig schön rumgeschaukelt wurde. Wir hatten Spaß!



An der Union Station wurden wir von meiner Supervisorin abgeholt und sind mit dem Taxi zu unserer Bleibe für die kommenden 12 Monate gecrust. Ich war mit Rumgucken beschäftigt, dass mit erst im Nachhinein aufgefallen ist, dass ich während der ganzen Fahrt nichts gesagt habe. Unser Haus hab ich an der blauen Tür erkannt. Man kann meine Freude zu diesem Zeitpunkt nicht beschreiben. Nach 19 Tagen Aus-Dem-Rucksack-Leben bedeutete dieses Haus ein Zimmer, ein Schrank und vor allem eine Waschmaschine. Ich kann nicht sagen, wie oft ich meinen Rucksack ein- und ausgepackt habe. Lediglich, dass ich es echt zu oft gemacht habe. Unser Zimmer ist echt schön, wir haben allerdings gleich mal die erste Stunde mit Möbelumstellen verbracht. Jetzt sieht's hier ohne Deko sogar richtig gut aus. Beim Umräumen haben wir sämtlichen Unrat unserer Vorbewohner entdeckt, der unter Kommoden und Regalen verscharrt wurde. Sehr interessant. Als dann alles fertig war, war ich fertig.



Danach folgte Abenteuer Supermarkt. Und jetzt möchte ich echt eines der größten Klischees entzaubern. Es ist NICHT alles tausendmal billiger! Lebensmittel in den USA sind gehörig kostenintensiver als in Deutschland und dazu lebe ich auch noch in dem Bundesstaat, der die höchste Tax auf alles mögliche hat. Dazu sind heute meine Ballerinas kaputt gegangen und der Metroautomat hat mir 5 Dollar gestohlen. Wo, um Himmels Willen, ist der bekloppte Gold-scheißende Esel? Ich betrachte mein monatliches Auskommen seit heute als größte Herausforderung und Selbstprojekt... Aber keine Sorge, ich sitze gerade grinsend vor dem Rechner. Der heutige Tag war einfach "Lost in DC" und morgen geht's an den ersten richtigen Arbeitstag, zum Glück erwartet mich danach ein Wochenende. 

Bevor ich's vergesse: liebe Grüße von den Obamas,
eure Antonia

PS: Es ist echt warm, so richtig.





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